Haubenköchin und Arzt sagen Reflux den Kampf an

https://www.krone.at/3224649

Marcel Tratnik

Seine Aufgabe ist es, Schmerzen zu lindern und Menschen zu helfen. Ihre große Leidenschaft ist Kochen. Die Rede ist von Martin Riegler und Andrea Grossmann. Das Duo veröffentlichte vor Kurzem sein zweites Kochbuch zum Thema Reflux. Hoch über dem Wörthersee wurde das Buch vorgestellt.

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Martin Riegler als Chirurg mit dem Thema Reflux. Und dieser Volkskrankheit sagt der Wiener schon zum zweiten Mal den Kampf an. „Man kann sich gesund essen“, erklärt der Spezialist, bei der Buchpräsentation im Balance Hotel in Pörtschach. 

Und genau dieses Hotel ist auch die Heimat von Haubenköchin Andrea Grossmann. „Wir lernten uns vor Jahren kennen und Martin meinte, jetzt hat er die Köchin gefunden, mit der er ein Buch veröffentlichen wird“, erzählt Grossmann gegenüber der „Krone“. Denn Riegler suchte damals einen Koch, der für sein Buch zum Thema Reflux die Kochrezepte liefert.

Konzentrierter Zucker als Reflux-Treiber
Und deshalb setzt sich das Autoren-Duo auch in ihrem zweiten Buch mit der Volkskrankheit auseinander. „Die Speiseröhre ist zwar ein geduldiges Organ, aber irgendwann wird sie undicht“, erklärt Martin Riegler. Und genau das betrifft immer mehr Österreicher. Doch der Arzt beruhigt: „Eine Operation ist nur in fünf Prozent der Fälle notwendig.“ Die restlichen 95 Prozent könnten mittels Ernährung von dem lästigen Sodbrennen und Co. befreit werden.

Und bei der Ernährung gilt nur eins zu beachten: „Vermeiden Sie konzentrierten Zucker!“ Klingt zunächst sehr einfach. Doch konzentrierter Zucker ist in vielen Lebensmitteln enthalten. „Das heißt aber nicht, dass man verzichten muss“, sagt Andrea Grossmann, die sich in ihrer Küche intensiv mit den Lebensmitteln und deren biochemischen Prozessen auseinandersetzt.

 „Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass selbst in Eiern konzentrierter Zucker enthalten ist“, so die Haubenköchin. Doch durch das Hartkochen der Eier würde der konzentrierte Zucker verschwinden. Aber auch jene Lebensmittel, die aus durch Keimen entstehen, enthalten den Reflux-Treiber. „Das sind unter anderem auch Kartoffeln oder Reis“, ergänzt Martin Riegler.

Mythen rund um die Volkskrankheit
Während viele Reflux-Erkrankte glauben, dass sie auf Kaffee verzichten müssen, räumt der Chirurg mit dem Mythos auf. „Wir unterscheiden in unserem Buch insgesamt drei Phasen. In der ersten, der roten Phase ist zwar Kaffee tabu, aber dann kann er ganz normal getrunken werden. Nur halt ohne Zucker und Milch.“

Zudem gehört bei einer Refluxerkrankung die Speiseröhre regelmäßig gereinigt. „Das geht am einfachsten, wenn man jede Stunde ein Stück Salatgurke isst. Wasser alleine reicht da nicht aus“, so Riegler.

60 leckere Kochrezepte aus der Haubenküche
Und all diese Erfahrung von Martin Riegler und Andrea Grossmann findet auch in ihrem zweiten Kochbuch Platz. Insgesamt 60 Rezepte werden darin vorgestellt. Und diese können sich sehen lassen: Egal ob cremige Kohlrabispagetti mit Wolfsbarsch oder ein fruchtiges Curry mit grünen Bohnen und Kaisergranat. Das Kochbuch hält mit Sicherheit für jedem etwas parat.

60 Rezepte von Andrea Grossmann finden sich in dem neuen Kochbuch.

(Bild: Uta Rojsek-Wiedergut)

Am Wörthersee den Reflux bekämpfen
Doch nicht nur in dem neuen Kochbuch von Martin Riegler und Andrea Grossmann wird dem Reflux der Kampf angesagt. Auch im Balance Hotel von Andrea Grossmann und ihrer Familie in Pörtschach am Wörthersee dreht sich viel um das Thema Reflux. „Wir bieten eigene Gesundheitswochen an. Da können unsere Gäste sich nicht nur entspannen, sondern auch gleichzeitig mit der Ernährung gegen den Reflux ankämpfen“, so die Hotelierin gegenüber der „Krone“. 

Dabei wird in dem 4-Sterne-Superior-Hotel nicht nur Entspannung geboten, sondern auch die Gerichte aus dem neuen Kochbuch „Genussvoll essen bei Reflux & Sodbrennen“ werden serviert.

Reflux OP vs. medikamentöse Therapie bei Reflux

In einer kürzlich von Prof. Dr. Stuart Spechler et al. im New England Journal of Medicine publizierten US-amerikanischen Studie zeigte sich: wichtig für den Erfolg der Reflux Therapie ist die genaue Diagnose und diese sollte bestehen aus

Gespräch mit dem Arzt/In, genauer Gastroskopie, Druck und Reflux Messung der Speiseröhre.

Ist Reflux als Ursache für die Beschwerden (Sodbrennen, Husten, Heiserkeit) eindeutig bewiesen, dann ist die Reflux OP der medikamentösen Therapie deutlich überlegen (67% vs. 28%) und kann damit empfohlen werden. Besteht kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Beschwerden und Reflux, müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden (Nahrungsmittelallergie, Darm-, Schilddrüsen-, HNO-, Zahn-, Herz-, Lungen-, Kreislauf- Erkrankung).

Fazit: diese Studie bestätigt unser Vorgehen in der Diagnose und Therapie von Reflux und Sodbrennen. 

Literatur:

 N Engl J Med. 2019 Oct 17;381(16):1513-1523

Interview – Methode nach Riegler

Warum haben Sie die „Methode nach Riegler“ entwickelt?

Riegler.: Mich hat einfach gestört, wie man mit Reflux umgegangen ist.

Was hat Sie dabei gestört?

R.: Jede/r hat die gleiche Therapie bekommen, nämlich Magensäureblocker (PPI) und wenn die nicht mehr geholfen haben, dann wurde eben operiert.

Was ist daran so falsch?

R.: Man hat dabei die Ursache vom Reflux übersehen und sich nur um die Beschwerden gekümmert.

Aber man hatte doch die Ergebnisse der Gastroskopie sowie Druck- und Reflux-Messungen?

R.: Das stimmt, aber dabei wurde etwas ganz Wichtiges vergessen.Man muss alle notwendigen Untersuchungen unter einen gemeinsamen Hut bringen, um an der Ursache des Problems ansetzen zu können. Und genau das ist das Prinzip der „Methode nach Riegler“.

Was ist das Neue an dieser Methode?

R.: Die „Methode nach Riegler“ richtet erstmals alle Untersuchungen (Gastroskopie, Druck- und Reflux- Messung) auf ein Ziel aus.
Nämlich, den Grund der Erkrankung zu erfassen und darzustellen, und das ist nun mal die Schwäche des Anti-Reflux-Ventils im Ausgang der Speiseröhre. Und hier setzt die Methode an, um alle Aspekte der Krankheit zu beheben, welche die Lebensqualität beeinträchtigen.

Und die wären?

R.: Sämtliche Beschwerden sowie ein etwaiges Krebsrisiko. Letzteres liegt vor, wenn die Diagnose „Barrett Ösophagus“ lautet.

Wie funktioniert die Methode nach Riegler?

R.: Das ist ganz einfach, entweder beheben wir die Schwäche des Anti-Reflux-Ventils mit der Anti-Reflux-Diät nach Riegler oder eben mit einer Reflux-OP. Welche Therapie zu empfehlen ist, finden wir durch die Untersuchungen heraus. Krebs – gefährliches Gewebe wird im Rahmen einer Operation, die wir Ablation nenen, entfernt.

Warum empfehlen Sie keine langfristige Behandlung mit Magensäure- Blockern (PPI)?

R.: Diese Therapie ändert ja nichts an der Schwäche des Anti-Reflux- Ventils. So haben Sie unter dem Einfluss einer PPI-Therapie immer noch Reflux, Sie spüren ihn halt weniger bis nicht mehr und glauben daher, keinen Reflux mehr zu haben. Außerdem haben PPIs zahlreiche Nebenwirkungen wie z.B. Völlegefühl, Blähungen, Durchfall, Kopfschmerzen, Osteoporose und Übelkeit. 

Letztendlich erhöhen sie das Risiko für einen Speiseröhrenkrebs um ein 5–10-Faches.

Was ist das Wichtigste bei der Methode nach Riegler?

R.: Man braucht als behandelnder Arzt viel Zeit, sehr viel Zeit, um auf die Betroffenen eingehen zu können. Und dann sollte man, wie ich zu sagen pflege, der Ursache die Gunst erweisen.

Woran glauben Sie?

R.: Ich glaube an das Gute im Menschen. Nur wird ihm das oft durch die, gegen unsere Natur gerichtete Lebensweise ausgetrieben. Und die Folge ist unter anderem Reflux.

Was empfehlen Sie?

R.: Ganz einfach: zurück zu den Wurzeln, auf zur Natur des Menschen.

Wo finden Sie die persönlich?

R. (zurückgelehnt mit verschränkten Armen): In der Literatur von Thomas Bernhard (lächelt) oder z.B. im Ausgang der Speiseröhre (schmunzelt). Oder mit Peter Handke im Wald, Pilze suchend (lacht). Oder: sich von Bob Marley’s Musik treiben lassen (schließt die Augen).